Ist Forecastgenauigkeit überbewertet? Praxistipps für Planung und Produktion in der Lieferkette

22. Juli 2025

Forecast Accuracy – der gehypte KPI?

Viele Unternehmen, Berater und selbst große Research-Institute wie Gartner stellen die Prognosegenauigkeit gerne als „heiligen Gral“ im Supply Chain Management dar. Es klingt ja so einfach: Je besser unser Forecast, desto besser laufen alle Prozesse weiter hinten, richtig? Boni, Zielvereinbarungen und Beraterprojekte haben sich jahrelang darum gedreht, die Prozentzahl bei der Forecast Accuracy nach oben zu schrauben.

Doch die Erfahrung der letzten Jahre und viele Projekte zeigen mir: Selbst die beste Prognose bringt dich nicht weiter, wenn die nachfolgende Planung und Umsetzung – insbesondere in der eigenen Produktion oder bei den Lieferanten – nicht stabil aufgestellt ist.


Warum ist die Forecast Accuracy trotzdem wichtig?

Natürlich bleibt die Prognosegenauigkeit relevant, keine Frage. Sie hilft, Bestände zu optimieren, Kapazitäten sinnvoll zu verplanen und einen stabileren End-to-End-Prozess entlang der gesamten Supply Chain sicherzustellen – von der Vertriebsseite bis zur Materialbestellung bei Lieferanten.


Was fehlt? Die Betrachtung der Production Plan Conformance!

Mein eigentliches Anliegen heute: Viele fokussieren sich zu sehr auf Prognosedaten – dabei entsteht echter Supply Chain-Erfolg oft erst im Zusammenspiel zwischen Bedarf (Forecast) und Angebot (Produktion/Supply). Entscheidender Hebel dafür ist die sogenannte Conformance to Plan, also wie gut du – oder dein Partner/Lieferant – tatsächlich den (Produktions-)Plan einhältst, der auf Basis des Forecasts entstanden ist.

Das klingt einfach, ist es aber nicht. Hier ein Praxis-Tipp: Die meisten Unternehmen entkoppeln Bedarf und Produktion über Lagerbestände. Die Produktion kann also – zumindest zu einem gewissen Grad und mit funktionierenden Netzwerken/Sicherheitsbeständen – unabhängig von kurzfristigen Forecast-Schwankungen laufen. Wenn die Produktion aber trotzdem regelmäßig aus dem Plan fällt, hilft selbst die punktgenaueste Prognose wenig. Produktverfügbarkeit, OTIF (On Time in Full), Effizienz und letztlich Kundenzufriedenheit leiden massiv darunter.


Analyse: Warum werden Pläne nicht eingehalten?

Die Lösung liegt für mich im wöchentlichen Vergleich von Plan und Ist in der Produktion. Abweichungen sollten nicht nur als Zahl betrachtet, sondern nachverfolgt und systematisch analysiert werden (“Root Cause” statt “oberflächlicher KPI”). Ursachen können vielschichtig sein:

• Personalausfälle (z.B. Krankheit, fehlende Qualifikation)

• Technische Probleme (Stillstände, fehlender Ramp-Up nach Projekten)

• Materialengpässe (Lieferverzögerungen, schlechte Lieferantenabstimmung)

• Prozesslücken (z.B. unklare Changeover-Zeit, mangelhafte Flexibilität in der Schichtplanung)

• Ungeplante Kundenaufträge (z.B. dringend reingekommene Anforderungen, die „in den Plan eingreifen“)

Praxis-Tipp: Führe eine logische Liste mit 10–20 Hauptgründen, die du regelmäßig gepflegt und ausgewertet nutzt. Nur so kannst du gemeinsam mit deinem Team systematische Verbesserungen anstoßen.


Segmentierung: Muss jedes Produkt gleich behandelt werden?

Ein weiteres Missverständnis aus meiner Sicht: Man behandelt oft alle Produkte gleich. In Wahrheit unterscheidet sich aber das Absatzverhalten und die Volatilität zwischen einzelnen Produktfamilien oft massiv. Nicht jeder Artikel muss maximal agil und flexibel produziert werden! Manche Produkte laufen stabil, andere benötigen hohe Flexibilität und schnelle Anpassung. Nutze einfache und anschauliche Segmentierungskonzepte (z.B. mit Tier-Metaphern, Volumen- und Volatilitäts-Matrizen), um Produktions- und Lieferkonzepte daran auszurichten.

So kannst du z.B. für Produkte mit stetigem Absatz und hoher Planbarkeit effiziente, große Losgrößen fahren und deine Kosten senken. Spar dir Flexibilität und Agilität für die „Frösche“ im Sortiment, die immer wieder für Überraschungen sorgen.


Mein Appell an dich:

Schau dir Forecast Accuracy und Conformance to Plan niemals isoliert an. Die echte Supply Chain-Magie liegt im klugen Zusammenspiel beider Kennzahlen. Analysiere systematisch die Ursachen für Planabweichungen, segmentiere dein Produktportfolio sauber, richte deine Planung daran aus und kommuniziere offen mit internen und externen Stakeholdern.


Kartendecks & more: https://store.deine-lieferkette.de


Die Bücher zum Kanal gibt es hier:

Business-Roman (April 2022): https://deine-lieferkette.de/unplanbar_b...

Sachbuch (2021): https://deine-lieferkette.de/deine-liefe...


Kanalhomepage: https://deine-lieferkette.de


#supplychainmanagement #logistik #supplychainfit